Der Aufhänger unsere Pitches von NEXTGEN.LX bei unserer ersten öffentlichen Präsentation war die stetige Abnahme der Erwerbsbevölkerung in Deutschland in den nächsten Jahrzehnten. Laut dem statistischen Bundesamt überschreiten fast 13 Millionen Erwerbspersonen bis 2026 das Renteneintrittsalter. Das entspricht knapp 30% der dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehenden Erwerbspersonen. Diese werden kaum von nachrückenden jungen Menschen ersetzt.

Parallel kommen weitere Entwicklungen hinzu: Zum einen verringert sich die Verweildauer von Mitarbeitenden in Unternehmen (derzeit rund 11 Jahre), zum anderen verkürzt sich die Halbwertszeit von Berufsprofilen, d.h. spätestens alle 3-5 Jahre ist, je nach Branche, ein solides Up- und Reskilling erforderlich. Aber die eigentlich schockierende Tatsache war lange ein Tabu, das kaum öffentlich diskutiert wurde.
Rund 7.5 Millionen Erwerbstätige zwischen 18 und 65 Jahren in Deutschland sind funktionale Analphabeten. D.h. dass die Lese- und Schreibfähigkeiten dieser Menschen dem der 1. bis 2. Schulklasse entsprechen. Sie können mit Mühe einzelne Sätze lesen und schreiben. Doch wie konnte es soweit kommen?
Die Antwort ist so einfach wie erschreckend: Wir konnten es uns leisten. Genauso wie wir es uns leisten können Frauen geringer zu bezahlen und Minderheiten aus Unternehmen auszuschließen. Die katastrophale Bilanz derzeitiger Viertklässler kommt in den Sinn. Im Klartext: Hier werden Menschen der Möglichkeit lebenslangen Lernens beraubt. Wir sprechen von lebenslangen Benachteiligungen, die im späteren Leben kaum zu kompensieren sind.
Die einzige Kurve, die nach oben steigt, ist der Grad zukünftiger Automation. Oder bessergesagt: das Substitutionspotenzial (ein grausames Wort) steigt für viele Berufsgruppen kontinuierlich an. McKinsey&Company sagen einen um ca. 30% wachsenden Bedarf an höheren kognitiven und sozialen Fähigkeiten bis zum Ende des Jahrzehnts voraus. Aber woher nehmen und nicht stehlen? Hochqualifizierte Mitarbeitende sind schon heute kaum zu rekrutieren.
Dies waren einige meiner Punkte, die ich zum Auftakt unserer BDU-Herbsttagung als eingeladene Expertin eingebracht hatte. Aus der Sicht der Lern- und Sozialpsychologie müssen Lernprozesse beschleunigt werden. Komplexe Methoden und Abläufe müssen intuitiver und begreifbarer zu managen sein. Soziales Lernen muss Freude bereiten und Menschen zusammenbringen. Produktivität ist als alleiniger Maßstab wirtschaftlichen Wachstums nicht mehr haltbar. Das mag sehr provokativ klingen, aber ich lasse dies als Anregung für Debatten gern stehen. Das, um was es wirklich geht, ist Kreativität und Innovation, die bedarfsorientierte Qualität von Gütern und Dienstleitungen, deren nachhaltige Realisierung, Selbstorganisationskompetenz und positive soziale Beziehungen. Daran arbeiten wir.
Bild: Unterkunft in ‘Buddhas Weg’/Wald-Michelbach
