Im Zusammenhang mit organisationalem Lernen habe ich meiner Praxis drei wesentliche soziale Resonanzräume identifiziert, die m.E. eine entscheidende Rolle bei der kollaborativen Wertschöpfung spielen: persönliche Resonanz, Teamresonanz und Systemresonanz. Alle drei sozialen Resonanzräume überschneiden sich in unterschiedlichen Formen des Austauschs wie der Entwicklung. Nennen wir die Räume und ihre Überschneidungen im Folgenden das triadische Spannungsfeld.

Warum spreche ich von Resonanz’ und nicht Beziehung’?

Es gibt mehrere Gründe. Zum einen impliziert Resonanz, dass alle Menschen eine natürliche soziale Resonanz besitzen. Wir sind vielleicht nicht in einer Beziehung, aber wir alle tragen die innere Resonanz unserer Biografie und Kultur in uns. In diesem Sinne besitzen alle Menschen eine Stimme, auch wenn sie sich uns gegenüber noch nicht verbal geäußert haben. Zum anderen impliziert Resonanz eine aktive, wechselseitige und intersubjektive Verschränkung. Wie Paul Watzlawick in seinem berühmten ersten Axiom definiert hat, können wir nicht nicht kommunizieren. Wir können kaum keinen Eindruck auf eine andere Person machen. Resonanz als lebendige Verschränkung zwischen Subjekten bedeutet, dass die symbolische oder physische Handlung bzw. Haltung des einen unmittelbaren Eindruck auf den anderen hat und umgekehrt. Wir mögen uns kategorisch in einer Beziehung betrachten oder nicht, aber wir spüren stets soziale Resonanz.

Es gibt natürlich eine Grenze für persönliche Resonanz jenseits von Familie und Kolleg*innen, denn Einzelpersonen können selten allein organisationale Veränderungen bewirken.  In Teams ist dies jedoch möglich.

So entstehen zahlreiche Freiheits- und Abhängigkeits- bzw. Verantwortungsbeziehungen: Ohne die Lebendigkeit und Motivation seiner Mitglieder bleibt ein Team ineffizient. Ohne gut eingespielte Teams kann eine Organisation nicht funktionieren. Und ohne innovative Teams ist ein Unternehmen auf Dauer nicht wettbewerbsfähig. An jeder Schnittstelle im Modell entstehen neue emergente Phänomene (wie bspw. die Identifikation mit der Organisation oder die Rollenübernahme im Team), die auf den separaten Ebenen nicht in Erscheinung treten. Daher ‘Resonanz’.

Warum verwende ich den Begriff des Resonanzraums?

Jedes Team entwickelt in Laufe eines Projektes eine einzigartige, temporäre Identität, einen unverwechselbaren kollektiven Fingerabdruck, eine ureigene Erfahrung von Teamwirksamkeit, Zusammenarbeitsnarrativ und Identität. Resonanzräume sind insoweit soziale Sphären, die die Möglichkeiten und Grenzen der Interaktionen von Einzelpersonen, Teams und Organisationen definieren.

Um in dauerhafte Resonanz zu gelangen, müssen soziale Akteure handlungsbezogene Prozesse in Gang setzen. Stille, Meditation bzw. Nicht-Handlung, wie etwa in der japanischen Kultur, kann ein wunderbares Konzept sein, um Verbundenheit, Achtsamkeit und Zusammengehörigkeit auszudrücken.

Im Gegensatz dazu untersuchen wir handlungsbasierten Wandel auf den Ebenen sozialer Erfahrung. Wenn es um Organisationsentwicklung geht, ist das perfekte Mittel, um Resonanz zu vermeiden, ein Leerlaufgespräch ohne Ziel, Ergebnis oder Konsequenz.  Wenn der Resonanzraum zu klein ist, werden Teams durch enge Richtlinien, Einschränkungen und Regeln erstickt. Wenn der Resonanzraum zu groß ist, können sich Teams in ihren Sondierungen und kreativen Gedankengängen leicht verlieren.

Formalisierte Prozesse ermöglichen es, einen produktiven Weg zwischen diesen beiden Polen zu finden, und können in unserem Zusammenhang als logische Abfolge von Lernhandlungen definiert werden. Entwicklungsprozesse leiten Teams im Allgemeinen zu den gewünschten Ergebnissen und verwenden hierzu geeignete Methoden. Je komplexer die Herausforderung ist, die das System bzw. die Systeme stellen, desto aufwändiger entpuppen sich die erforderlichen Prozesskonfigurationen. Die verwendeten Lernhandlungen beantworten, trotz aller Komplexität, stets die praktische Frage: Was sollen und können wir als nächstes tun? Auf Feedback-Schleifen beruhende Handlungsfolgen ‚erden‘ sozusagen die jeweils implizite Komplexität der jeweiligen Projektphasen.

Der Ansatz eines resonanzorientierten Gestaltens hat einen großen Vorteil, wenn es um das Verständnis moderne Organisationsentwicklung in Heterarchien, also flachen Hierarchien, geht. Ein Beispiel: In einer “flachen”, nicht-hierarchischen Organisation macht die Vorstellung von Top-down- oder Bottom-up-Change-Prozessen keinen Sinn.  Doch wie kann sich also ein Unternehmen mit Teams auf Augenhöhe weiterentwickeln, wenn es kein klares “Oben” und “Unten” mehr gibt?

Eine Antwort könnte lauten: Wir fokussieren uns auf Veränderung durch Entwicklung und Verbesserung der Resonanz. Das bedeutet, dass eine lernende Organisation eine Metaebene benötigt, auf der sie das triadische Spannungsfeld zwischen Personen, Teams und dem System als Ganzem reflektierend aushandeln und kalibrieren kann.

Ich hoffe wirklich, dass einige Unternehmensberatungen die Idee eines ‘Resonanzdesigns’ als reinen Unsinn abtun. Tatsache ist jedoch, dass Unternehmen um die Pull- und Push-Faktoren für die Bindung und Gewinnung von Mitarbeitenden sehr wohl wissen. Sie kennen den Wert und das Innovationspotenzial von psychologisch sicheren Teams – zumindest in der Theorie. Und sie haben verstanden, ebenfalls zumindest in der Theorie, dass die Zukunft hochinnovativer Unternehmen nicht in starren und hierarchischen Führungsstrukturen liegt. Hierzu gibt es genügend Beispiele. Es ist nicht so, dass wir nichts über Anziehung und Abstoßung, über die soziale Gravitation und Fliehkräfte wüssten, die jedes Mitglied unseres Teams beeinflussen.

Letztendlich legt das Gestalten von Resonanzen nahe, dass Einzelpersonen, Teams und die Organisation ihre Art und Weise und ihr Niveau der gemeinsamen Entwicklung durch institutionalisierte Meta-Prozesse (d.h. gemeinsam-reflektierte Prozesse zur Klärung und Legitimierung der operativen Abläufe sowie der strategischen Planung) abstimmen können, die, wie Amy Edmondson es treffend ausgedrückt hat, das Gleichgewicht zwischen der Komfortzone eines Teams und den Exzellenzerwartungen der Organisation finden. Jedes innovative Unternehmen ist insoweit auf hinreichend implementierte Meta-Prozesse für die erfolgreiche und nachhaltige Selbstorganisation seinerTeams im triadischen Spannungsfeld angewiesen.


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