Die Sozialkognitive Lerntheorie

Die Sozialkognitive Lerntheorie (auch Modelllernen oder Lernen am Modell genannt) wurde von Albert Bandura entwickelt. Es werden darunter Lernvorgänge verstanden, die auf der Beobachtung des Verhaltens von menschlichen Vorbildern beruhen. Aus kognitionstheoretischer Ansicht ist ein Verhalten nicht nur die Reaktion auf einen vorhergegangenen Umweltreiz, sondern vor allem auch der Prozess des Wahrnehmens, Verarbeitens und der Bewertung dieses Reizes. Somit ist ein Verhalten nicht eine bloße Reaktion auf die Umwelt, sondern ein aktiver kognitiver Vorgang. Zudem ist der Mensch zur Selbststeuerung in der Lage. Wie er handeln möchte, welche Situationen er meidet oder sucht, welche Alternativen abgewogen werden, obliegt größtenteils dem Menschen selbst.

Selbstwirksamkeit

Für Albert Bandura wurde der Begriff der Selbstwirksamkeit (unter Voraussetzung der Fähigkeit der Selbstregulation) zum zentralen Entwurf von Banduras theoretischem Modell. Unter Selbstwirksamkeit fasst Bandura die Überzeugung, zur Bewältigung einer bestimmten Situation in der Lage zu sein. Je höher die Selbstwirksamkeit des Menschen ausgeprägt ist, desto eher kommt es zu einer gelingenden Bewältigung der Situation. Gibt es jedoch Zweifel an der eigenen Selbstwirksamkeit, kann – trotz Vorhandenseins der benötigten Fähigkeit – die erfolgreiche Bewältigung ausbleiben.

Hierbei zeigt sich die starke Auswirkung der Selbstwirksamkeit auf die Wahrnehmung, Motivation und Leistung des Menschen. Somit ist die eigene Selbstwirksamkeitserwartung – vor allem in der Ausführungsphase, in der neben der Motivation die Einschätzung der motorischen Fähigkeiten Bedeutung hat – maßgeblich daran beteiligt, ob ein Lernprozess angestoßen wird oder nicht. Die Einschätzung der eigenen Selbstwirksamkeit beeinflusst wesentlich, wie schnell ein Mensch beim Aufkommen von Schwierigkeiten resigniert aufgibt oder wie viel er unternimmt, um die Probleme zu lösen, die sich ihm in den Weg stellen. Eine hohe Selbstwirksamkeit wirkt sich positiv auf die Ausdauer aus, die es zum Lösen des Problems benötigt. Es kommt zu einer erhöhten Frustrationstoleranz bzw. Resilienz. Durch das Erreichen von kleineren Teilzielen kann die Selbstwirksamkeit gesteigert werden, sodass nicht mehr die Problemlösung die Motivation hervorruft, sondern vielmehr das Erfolgserlebnis, die Fähigkeit zur Bewältigung zu besitzen und die Situation ein Stück weit kontrollieren zu können.

Validität der Theorie

Anders als in vielen behavioristischen Studien, wurden nicht Ergebnisse aus Tierversuchen auf menschliches Verhalten übertragen (siehe z. B. die Skinner-Box oder Edward Lee Thorndikes Problemkäfig). Die meisten Forschungen wurden mit Menschen durchgeführt. Aus diesem Grund kann der Erklärungswert der sozial-kognitiven Theorie hoch eingeschätzt werden. Er kommt dort zum Tragen, wo behavioristische Theorien an ihre Grenzen stoßen. Banduras Theorie schließt aktive, kognitive gesteuerte Verarbeitungsprozesse mit ein, bei denen auch soziale Bedingungen wie Familienstrukturen, soziales Milieu etc. eine wichtige Rolle spielen. Dabei zieht die sozial-kognitive Lerntheorie ebenfalls das menschliche Erleben heran, um Verhalten zu erklären.

Erlernte soziale Aggression: Banduras Bobo Doll Studien (1961-63)

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Behaviorismus

Zu Anfang des 20. Jahrhunderts waren amerikanische Psychologen hauptsächlich am Verhalten der Individuen interessiert. Die psychologischen Prozesse waren allerdings nach außen hin nicht beobachtbar. Man ging davon aus, dass der Mensch ein Produkt seiner Umwelt ist und bei seiner Geburt “tabula rasa” (= leere Tafel) ist. Jedes Verhalten ist erlernt und nicht angeboren. Die wichtigsten Vertreter des Behaviorismus waren Ivan Pawlow und B.F. Skinner.

Pawlow beschäftigte sich dabei mit dem konditionierten Reflex (klassische Konditionierung) und Skinner mit dem vom Lernenden ausgehenden instrumentellen Lernen (operante Konditionierung). Skinner entwickelte den programmierten Unterricht und mit diesem das Prinzip der klassischen Lernmaschine, die als Vorläufer der Drill-and-Practice Programme anzusehen ist. Die Forschung des Behaviorismus beschränkt sich darauf, das äußere, beobachtbare Verhalten der Menschen zu beobachten und zu untersuchen. Es geht dabei ausschließlich um Beobachtung von außen und nicht um die Introspektion (lat. Hineinsehen) des Menschen. Gefühle und Erleben werden somit aus diesem Gebiet ausgelassen. Deshalb stieß der klassische behavioristische Ansatz in der europäisch-kontinentalen Psychologie auf Ablehnung, während er in den USA große Bedeutung erlangte.

Beim Behaviorismus stellt das Gehirn eine Black Box dar, das heißt, dass die innerseelischen Vorgänge bei der Forschung nicht gesehen und berücksichtigt werden. Stattdessen setzt man den Schwerpunkt darauf, welche Reaktionen (Output) durch welche Reize (Input) hervorgerufen werden und analysiert diese. Siehe auch: https://joanakompa.com/2015/05/02/strengths-and-limitations-of-behaviorism-for-learning/

Videos: B.F. Skinner ‘Teaching machine and programmed learning’ (1954), ‘Mechanics of the Brain’ (1926) über die Arbeit von Ivan Pavlov von Vsevolod Pudovkin (Warnung: Experimente an Tieren und Kindern)

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Kognitivismus

Die kognitive Psychologie befasst sich mit Fortschritten bei der Untersuchung von Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Sprachverarbeitung, Wahrnehmung, Problemlösung und Denken. Der Kognitivismus bezeichnet eine Hauptströmung der Lerntheorien. Im Mittelpunkt des Kognitivismus stehen die individuelle Informationsverarbeitung sowie die dazugehörigen Denk- und Verarbeitungsprozesse der Lernenden. Der Kognitivismus erklärt menschliches Verhalten nicht durch Bedingungen in der Umwelt, sondern über kognitive Prozesse. Der Gegenstand des Kognitivismus und seiner Forschung ist daher die Art und Weise, wie Menschen Informationen aufnehmen, verstehen, verarbeiten und erinnern. Der Kognitivismus ist verwandt mit dem Konstruktivismus. Diese besagt: jedes Individuum konstruiert ein individuelles und subjektives Bild seiner Umwelt. Lernende konstruieren selbstständig neues Wissen durch einen aktiven Konstruktionsprozess. Aufgrund verschiedenster Erfahrungen entsteht so eine kognitive Landkarte der Welt, welche das Individuum beeinflusst. Ein berühmter Vertreter des Kognitivismus ist der Schweizer Kinderpsychologe Jean Piaget (1896-1980) .

Der Begriff Kognition (engl. cognition; lat. cognitio = Erkenntnis, Vorstellung, Begriff, Wiedererkennen) schließt zum einen die Fähigkeit ein, bestimmte Gesetzmäßigkeiten zu erkennen (= Denken). Dieser Prozess umfasst die Aufnahme, Verarbeitung und Bewertung von Informationen. Zum anderen ist das Vorhandensein von sowie der Rückgriff auf Vergleichswissen (= Gedächtnis) inbegriffen. Kurz gesagt handelt es sich hierbei um die Gesamtheit aller Vorgänge, welche der Aufnahme, Verarbeitung und Speicherung von Informationen dienen. Aus diesem Grund werden auch alle Theorien, die ihren Blick auf geistige Vorgänge richten, kognitionstheoretische Modelle genannt.

Das Menschenbild des Kognitivismus

Die Kognitivisten akzeptieren den Menschen zunehmend als Individuum, das nicht fremd „gesteuert“, sondern selbstständig ist und Reize der Umwelt unterschiedlich verarbeiten kann. Mit dieser Fähigkeit, das heißt der Fähigkeit zu Denken, hebe sich der Mensch von der Tierwelt ab. Als Ergänzung hierzu schreiben Willig und Kommerell: „Jeder Mensch kann sein Leben weitgehend durch Einsicht und Vernunft gestalten. Er kann sogar gegen die Lerngesetze handeln, indem er sich gedanklich selbst belohnt.“ Durch die in der Psyche des Menschen ablaufenden Informationsverarbeitungsprozesse und die Eigenständigkeit des Menschen nehmen die Kognitivisten an, dass die von ihm durchgeführten Handlungen zielgerichtet sind.

Aus Sicht des Kognitivismus läuft ein Lernvorgang wie ein klassischer „Informationsverarbeitungsprozess“ ab. Konkret heißt dies, dass das Gehirn in Analogie zu technischen Systemen als „informationsverarbeitendes Gerät“ die entsprechend (z. B. multimedial) verschlüsselten Informationen über die Sinnesorgane aufnimmt. Diese werden anschließend mit dem individuell zur Verfügung stehenden Vorwissen verarbeitet und zu einem sogenannten „Output“ generiert. Somit können die Ausgaben (abhängig vom jeweiligen Vorwissen) trotz gleicher Informations„eingabe“ bei den verschiedenen Lernenden unterschiedlich ausfallen. Das grundsätzliche Kommunikationsmodell mit Sender, Übertragung (über ein Medium) und Empfänger kann so auf Instruktion angewendet werden. Das zugehörige Lernarrangement nennt man Instruktionslernen.

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Konstruktivismus

Konstruktivistische Lerntheorien (wie etwa die Montessori Pädagogik das Problembasierte Lernen/ PBL oder Self-Determination Theory/ SDT) überlappen sich mit mit einigen der vorher genannten Theorien. Die Hauptmerkmale des Konstruktivismus sind wie folgt:

  • Wissenskonstruktion: Konstruktivistische Lerntheorien betonen die aktive Konstruktion von Wissen. Konkret bedeutet dies: Lernende interpretieren und transformieren neue Informationen auf Basis bereits erworbenen Wissens, welches von den Lernenden aktiv abgerufen wird.
  • Kooperatives Lernen: Eine weitere wichtige Grundannahme bezieht sich auf das gemeinschaftliche (kollaborative) Lernen mit anderen Lernern, Lehrern und weiteren Personen, durch welches die Wissenskonstruktion unterstützt werden soll. Besonders beim Lernen mit anderen Lernenden nimmt man die Lernförderlichkeit aufgrund ähnlicher Verständnisniveaus an.
  • Selbstregulation: Unter Selbstregulation werden eine Reihe von Teilaspekten subsumiert. Beispielsweise fallen hierunter die metakognitiven Fähigkeiten wie das Setzen von (Lern-)Zielen, aber auch Selbstbeobachtung, Selbstbewertung und Selbstverstärkung während des Wissenserwerbs.
  • Authentische Lernsituation: Im Kontext konstruktivistischer Lerntheorien sollten Lernsituationen vorzugsweise praxisbezogen bzw. authentisch sein. Hierzu können Lernende mit komplexen, schlecht strukturierten Problemen konfrontiert werden – ähnlich den Problemsituationen, die sie auf ihrer zukünftigen Arbeitsstelle antreffen. Vielschichtige Probleme zeichnen sich durch zahlreiche interagierende Elemente und der Möglichkeit multipler Lösungsansätze aus. Im Zusammenhang solcher Problemsituationen wird auch häufig vom entdeckenden Lernen (discovery learning) gesprochen.

Empfohlene Literatur:

Die 8 Grundprinzipien der Montessori Pädagogik: 1. Movement and cognition 2. Choice 3. Interest 4. Avoid extrinsic rewards 5. Learning from and with peers 6. Learning in context 7. Adult interaction 8. Order in environment & mind


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